p.m.k.

Kultur ist wie Elektrizität. Konsumiert wird sie von den Meisten, wie sie funktioniert wissen die Wenigsten, und wer den Respekt davor verliert, dass sie uns blitzartig unter die Haut gehen kann, ist ruiniert.

Cultural Life Support System, Thomas Feuerstein, p.m.k.
Cover p.m.k.-Jubiläumsfolder 2009, Künstler: Thomas Feuerstein

Sagen wir mal so: Wäre ich der Meinung, dass sich hinter dem schlichten Kürzel p.m.k. nur eine Art Ego-Aktie verbirgt, wäre ich durchaus geneigt, den Inhalt einer Streichholzschachtel vor ihr auszuleeren, um in der selben Sekunde die Frage an sie zu richten: Wie viele? Als gefährliches Halbwissen zelebrierende „Rain-Man-Kennerin“ wäre mir die falsche Antwort in dem Fall ebenso gewiss, wie diagnostizierte Naivität.

Doch neben professioneller Promotion, Licht- und Tontechnik, Raummieten oder nicht ganz so lowen Budgetproduktionen, gehört konzipierte Blauäugigkeit mit Sicherheit nicht zu den Dingen, die man sich in der Kulturszene Westösterreichs leisten kann. Und damit wären wir auch schon beim Thema. Oder beim Geschäft, um das ungestüme Kind Kultur beim Namen zu nennen.

Wer gewährleisten will, dass es das eigene Programm, die eigene Location und den eigenen Arbeitsplatz auch am nächsten Tag noch gibt, setzt auf ein Business, das auf hart umkämpftem Pflaster versucht, verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Mitteln für sich zu gewinnen. Hartes Brot, sozusagen. Damit es überhaupt so weit kommen kann, müssen Konzepte erarbeitet, Finanzierungspläne erstellt, Marktlücken gefunden und Geschmäcker getroffen werden.

Zeit, kulturelle Alltagspraktiken im Gespräch mit Kulturschaffenden vor den Vorhang zu holen, die Entscheidungen treffen, die sie selbst betreffen. Und ja: Dass die erste Wahl dabei auf die p.m.k gefallen ist, liegt bereits in der Kultur der Sache.

p.m.k (Plattform mobile Kulturinitiativen)

Dass böse Zungen behaupten, Plattformen seien dazu da, gelebte Anarchie parteiähnlich steuern zu wollen, stößt im Innsbrucker p.m.k-Büro höchstens auf Kopfschütteln. Und warum auch nicht. Wer ein Konzept aus dem Boden gestampft hat, das 30 Kulturinitiativen größtmögliche Handlungsspielräume verschafft, hat den Bogen raus. Ihr Erfolgsrezept?

Geht es nach Christian Koubek und Stefan Meister vom Vereinsvorstand, wird durch „qualifizierte Demokratie“ Dynamik erzeugt, die „aktiviert und motiviert“. Nicht wer zahlt schafft an, sondern wer mitbestimmt. Und dazugehört. Kulturkollektive oder Einzelvereine, die sich für eine Mitgliedschaft interessieren, dürften gute Karten haben. Fundierte Fachkenntnisse, praxisorientiertes Handeln und die Erlangung einer einfachen Mehrheit vorausgesetzt.

Wie man sich das Gegenüber bei Plattformtreffen vorstellen kann, beschreibt Koubek, der geschäftsführende Obmann, als Expert_innenrunde, in der „Wissenstransfer, Idealismus und Spaß“ nicht zu kurz kommen. Man trifft auf Menschen, „die sich in ihrem Bereich auskennen, Interessenlagen erkennen und an ihr Tun glauben“. Den pinken Lettern Ohne Theorie keine Revolution geschuldet, wird Glaubwürdigkeit mit Qualifikation gleichgesetzt.

pmk-ball
Ohne Plattform keine revolutionäre Ballnacht. Foto: p.m.k.

Das perfekte Kleinstadtprinzip

Dass es gelingt, zeitgenössische Beschallung, Visualisierung und Denkprozesse entstehen, reifen und wachsen zu lassen, hat in der p.m.k System. Die Programmauswahl „passiert organisch“. Das Konzept lässt zu. Ist ein Act fixiert, können Veranstalter_innen auf die professionelle Infrastruktur zählen. Promotion, Support und Fachwissen inklusive. Die Plattform bietet demnach nicht nur individuelle Freiräume, sondern auch den konkreten Rahmen dazu. Anstatt eines Mitgliedsbeitrags wird eine niedrige Raummiete eingehoben. Eintrittsgelder und Erlöse aus dem Barbetrieb gehen an die jeweilige Initiative. Kurz: Man partizipiert am „perfekten Kleinstadtprinzip“.

Dass der Laden läuft, hängt für Stefan Meister vor allem mit der „Ernsthaftigkeit“ der handelnden Akteur_innen zusammen. Theoriegeleitete Exkurse gehören dabei ebenso zum Tagesgeschäft, wie der Griff zum Bodenfetzen oder Verhandlungen mit Subventionsgeber_innen. Das Verhältnis zu Stadt, Land und Bund siedelt Koubek auf einer „guten Kooperationsbasis“ an. „Mittlerweile“, wie er hinzufügt. Dass die p.m.k nach heftigem Gegenwind zu einem bespielbaren Ort für die Innsbrucker Kulturszene werden konnte, führt er auf ihre „widerständische Geschichte“ und vor allem auf das „Vertrauen innerhalb der Szene“ zurück.

Die „Sichtbarmachung eines politischen Objekts im öffentlichen Raum“, wie Stefan Meister das Geschaffte bezeichnet, bekam nach dem Aus des ehemaligen Utopia oder dem zumindest nicht mehr in übersprünglicher Form existenten Bierstindl „spürbaren Bewegungscharakter“. Stillstand scheint im p.m.k-Büro, dessen Türe im gefühlten Minutentakt aufgeht, ohnehin kein Thema zu sein.

offen & herrlich, Straßenfest p.m.k.
offen & herrlich. Foto: p.m.k.

Heute wegen gestern geöffnet

Am 22. Juli 2004 wurde aus subversivem Aktionismus und jahrelangen Verhandlungen schließlich ein Kulturbetrieb, der die Innsbrucker Bogenmeile offen und herrlich explodieren ließ. Dass die p.m.k, gemessen an ihren rund 200 Eintrittskarten, zu den kleinsten Locations zählt, in der sich Größen wie Jamie Lidell, Cult of Luna oder die Fuck Buttons die Klinke in die Hand drücken, hört sich allerdings nicht nur nach Arbeit an, sondern ist es auch.

Wer bis zu drei Monate im Voraus ausgebucht ist, denkt vor. Und wer dank Neugier, Mut und gut isolierten Wänden auch sperrige Klanggewitter zulässt, macht sich nicht nur für Szenekenner_innen zu einem attraktiven Ort. Im Unterschied zu anderen Kulturbetreiber_innen scheint sich die identitätsstiftende Wirkung der Plattform nicht etwa trotz einer bunten Palette an Persönlichkeiten, Genres und Passionen durchzusetzen, sondern genau deswegen. Weltstadt hin, Provinz her.

Worauf es unter den Viadukten ankommt, und da sind sich Christian Koubek und Stefan Meister sicher, ist diese „unübersehbare Energie“. Dass nach außen dringt, was im Inneren dieses „Cultural Life Support Systems“ gedacht, diskutiert, geplant und mit dem Prädikat „heißer Scheiß“ ausgestattet wird.

Literaturtipp:
Vötsch, Mario: Organisieren von Freiheit. Nomadische Praktiken im Kulturfeld. Innsbruck 2010

Erstveröffentlichung: WestPoint – Das Konzert und Szenemagazin Westösterreichs, Wie Kultur schafft #1

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